Optimierung der aerodynamischen Eigenschaften von Rotorblättern von Windenergieanlagen

Erhöhung der Flächenwirtschaftlichkeit von Windparks

Forschungskonsortium

Numerische und experimentelle Untersuchungen von Drahtgestricken mit Hinblick auf die aerodynamische Optimierung der Blätter von Windenergieanlagen

Prof. Dr. Franz-Josef Peitzmann, Jan Hauke Harmening

Das ZIM-geförderte Forschungsprojekt Aeroblade hat die Entwicklung neuartiger Bauelemente aus Drahtgestrick mittels einer spezifischen CFD-Modellierung zur Optimierung der aerodynamischen Eigenschaften von Rotorblättern und Leistungssteigerung von Windparks von bis zu 2 % bis 5 % zum Ziel.

Simulationen zeigen, dass die Drahtstrukturen Wirbel generieren, die den Strömungsabriss an einer rückwärtsgerichteten Rampe deutlich reduzieren. Durch das Gestrick wird der Strömungsabriss sowohl verzögert als auch insgesamt um 27.1 % reduziert (Abbildungen 1 und 2).

Abbildung 1:
Induzierte Wirbel am Drahtgestrick. Die roten Pfeile markieren die Wirbelschleppen, die die Reduktion des Strömungsabrisses erzeugen
Abbildung 2:
Strömungsabriss an einer stromabwärts gerichteten Rampe. Oben: ohne Drahtgestrick, unten: mit Drahtgestrick links der Rampe

Die ausführlichen Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht. Der Artikel ist unter https://www.mdpi.com/2311-5521/7/12/370 frei verfügbar.​

Erste Untersuchungen der NREL 5MW Anlage zeigen ebenfalls einen positiven Effekt. Bei einem Anstellwinkel von 18° wird der Strömungsabriss am DU99W350 Profil deutlich verzögert. Dies reduziert den Widerstand und erhöht den Auftrieb des Blattes (Abbildung 3):

Abbildung 3: Simulierter Strömungsabriss am DU99W350 Profil bei 18° Anstellwinkel

Die aerodynamischen Effekte der Gestricke wurden mit Messungen im Windkanal weiter untersucht. Hierfür wurden verschiedene Gestrick-Varianten der Firma Eloona auf der Oberfläche eines angeströmten Zylinders positioniert und die Widerstandswerte des Zylinders sowie die Strömungsgeschwindigkeiten und Turbulenzen im Nachlauf vermessen. Abbildung 4 visualisiert den Messaufbau im Windkanal

Abbildung 4: Messaufbau der experimentellen Untersuchungen im Windkanal über den aerodynamischen Einfluss von Drahtgestricken auf die Strömung
um einen zylindrischen Körper

Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse der Kraftmessungen für eine Variante des Gestricks, das in mehreren Lagen auf der Rückseite (lee-Seite) des Zylinders montiert wurde. Die Graphik zeigt, dass insbesondere im Fall höherer Reynoldszahlen eine signifikante Reduktion der Widerstandswerte erreicht werden konnte (bis zu 16.5%). Dieser Effekt war umso positiver ausgeprägt, je mehr Lagen verwendet wurden.

Abbildung 5: Gemessene Widerstandskräfte des Zylinders mit unterschiedlich vielen Lagen Drahtgestrick auf der windabgewandten Seite.

Positive Effekte konnten ebenfalls im Nachlauf des Zylinders festgestellt werden:
Abbildungen 6 und 7 zeigen die Ergebnisse der axialen Strömungsgeschwindigkeit sowie der turbulenten kinetischen Energie. Die Graphiken zeigen die Messergebnisse im Nachlauf hinter dem Zylinder an zwei verschiedenen Höhen über dem Boden. Wie in Abbildung 6 ersichtlich, konnte eine Reduktion des Geschwindigkeitsdefizits im Nachlauf festgestellt werden. Dies bedeutet, dass der nutzbare kinetische Energiegehalt des Nachlaufs gegenüber dem unbehandelten Zylinder deutlich erhöht werden konnte. Wie in Abbildung 7 dargestellt, konnte ebenfalls eine deutliche Reduktion der Turbulenzen im Nachlauf beobachtet werden.

Abbildung 6: Gemessene axiale Strömungsgeschwindigkeit im Nachlauf des Zylinders an zwei unterschiedlichen Höhen über dem Boden.
Dargestellt sind die Ergebnisse für den Zylinder sowie für eine Variante des Drahtgestricks montiert auf der lee-Seite des Zylinders.
Die Abbildung zeigt eine Hälfte des symmetrischen Nachlaufs.
Abbildung 7: Gemessene turbulente kinetische Energie im Nachlauf des Zylinders an zwei unterschiedlichen Höhen über dem Boden. Dargestellt sind die Ergebnisse für den Zylinder sowie für eine Variante des Drahtgestricks montiert auf der lee-Seite des Zylinders. Die Abbildung zeigt eine Hälfte des symmetrischen Nachlaufs.

Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen belegen, dass durch die Applikation der Drahtgestricke die Strömung vorteilhaft beeinflusst werden kann. Zum einen können die Strömungswiderstände deutlich reduziert werden, was die Energieausbeute einer Windenergieanlage erhöht. Zum anderen können die Energieverluste und Turbulenzen im Nachlauf verringert werden, was den Energieertrag und die Lebensdauer einer nachgeschalteten Anlage steigern und gegebenenfalls eine Reduktion des Abstands zwischen mehreren seriellen Anlagen möglich machen kann.


Entwicklung von CFD-Simulationsmodellen
Optimierung der aerodynamischen Oberfläche von Rotorblättern
Auslegung innovativer Oberflächenstrukturen aus Feindrahtgeflechten

Prof. Dr.-Ing. Volker Kassera, Klaus-Peter Helbig, René Thümmler

Die CFD Consultants GmbH mit Sitz in Rottenburg am Neckar ist langjähriger Dienstleister im Bereich der numerischen Strömungssimulation (CFD). Im Rahmen des Forschungsprojekts Aeroblade wird angestrebt, in Zukunft Windenergieanlagen (WEA) eines Kunden analysieren zu können und durch eine CFD-Simulation und Auswertung der vorliegenden Situation im Windpark zu optimieren. Basierend auf den ausgeführten Simulationen werden Oberflächenstrukturen aus Drahtgestrick auf die Rotorblätter appliziert und tragen zu einer Leistungserhöhung des Windparks bei.

Eine Herausforderung des Forschungsprojekts ist es, Lösungsansätze zu finden, die in der Lage sind, lokale, kleinskalige Turbulenzeffekte hinreichend genau zu beschreiben und diese Effekte in einem großskaligen Wirkvolumen abzubilden. In jedem Fall stellt diese Herausforderung höchste Ansprüche an die Verwendung der notwendigen Computerhardware und an das Datenhandling aufgrund der zu erwartenden enormen Datenmengen. Hierfür werden sowohl eigene Rechencluster als auch die Rechenkapazitäten des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart (HLRS) mit dem Supercomputer HAWK genutzt.

Aufgrund des Auftretens dieser enormen Größenunterschiede der physikalischen Phänomene wird bei der numerischen Strömungssimulation (CFD) eine Aufteilung in Mikro- und Makrosimulationen vorgenommen.

Die Mikrosimulation, durchgeführt durch unseren Forschungspartner Westfälische Hochschule Bocholt, simuliert sämtliche Strömungsvorgänge nahe des Rotorblatts der WEA, um die fluiddynamische Grenzschicht mit den Übergängen von laminar zu turbulent sowie anderen Turbulenzen, abzubilden. Ziel ist es, die Grenzschicht des Rotorblattes so lange wie möglich über die Länge und Breite des Profils so zu manipulieren, dass der Nachlauf möglichst wenig makroskopische Turbulenzen enthält und durch die Verzögerung oder Reduktion des Strömungsabrisses die aerodynamische Effizienz des Blattes steigt.

Die Vereinigung der Simulationsergebnisse aus der Mikrosimulation mit der Makrosimulation erfordert eine Manipulation der Simulationstools (Algorithmus, Grenzschichtberechnung, Einfügen eines empirischen oder gerechneten Modells), da auf Grund der Skalenunterschiede (kleinskalige Drähte im Gestrick mit etwa 1mm Durchmesser/ großskaliger WEA Nachlauf mit bis zu 2km Länge) keine Auflösung des Drahtgestricks im Makromodell möglich ist.

Abbildung 8: Drahtgestrick durch ein numerisches Gitter aufgelöst (Symbolbild)

Lösung des Skalenproblems durch Entwicklung eines numerischen Ersatzsyszems, welches deutlich größere Berechnungszellen erlaubt:

Abbildung 9: Drahtgestrick (in rot) numerisch modelliert
Abbildung 10: Forschungsgeometrie (Backward Facing Ramp)

In einer Forschungsgeometrie wurden die Berechnungen mit numerisch aufgelösten und numerisch modellierten Gestrick verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung:

Abbildung 11: Vergleich von Strömungssimulationen mit aufgelösten und numerisch modellierten Drahtgestrick.

Auch die Windkanalversuche der Umströmung des Zylinders mit und ohne Drahtgestrick wurden numerisch untersucht. 2D-Simulationen zeigen auch hier den Einfluss des Gestricks auf den Nachlauf.

Abbildung 12: Vergleich von Windkanalversuchen und Strömungssimulationen mit aufgelösten und numerisch modellierten Drahtgestrick.

Entwicklung eines Messsystems: Innerhalb des Vorhabens wird beispielhaft das makroskopische Berechnungsmodell für einen WEA-Typ entwickelt, da keine hochauflösenden Berechnungsmodelle für den Nachlauf von WEA existieren.

Um zu beurteilen, wie fein die Vernetzung des Rechenmodells für die Makrosimulation sein muss, wird ein Messsystem entwickelt, welches Turbulenzgrößen im Nachlauf einer Windenergieanlage analysiert.

Abbildung 13: Messsystem für Turbulenzgrößen (Ausschnitt)
Abbildung 14: Messsystem für Turbulenzgrößen (Nachlauf)

Mithilfe dieses Messsystems können Veränderungen der Turbulenz im Nachlauf aufgrund von Veränderungen der Oberfläche der Rotorblätter durch Applikationen von Drahtgestricken sichtbar gemacht werden.

Abbildung 15 Relativvektoren und Wirbelablösungen an einer Windenergieanlage (Postprocessing mit FieldView)

Entwicklung von Materialsystemen für mikroperforierte, turbulenzhemmende Beschichtungen von Rotorblättern

Robert Ruf

Die eloona GmbH ist Hersteller technischer Drahtgestricke für anspruchsvolle Anwendungen.           

Im Forschungsprojekt Aeroblade wird angestrebt Materialsysteme, basierend auf Drahtgestricken zu entwickeln, um Rotorblätter mit einer turbulenzhemmenden Beschichtung bzw. Oberfläche ausstatten zu können.

Abbildung 16: Drahtgestrickausschnitt

In den ersten Berechnungen wurden Drahtgestricke aus Edelstahl mit definierten, aufeinander abgestimmten Maschenlängen und Maschenabständen mit einem mittleren Drahtdurchmesser herangezogen.

Wir sind in der Lage nahezu sämtliche Werkstoffe, vor allem Edelstähle und Sonderwerkstoffe im Bereich von 0,05 – 0,80 mm in Abhängigkeit der Systembedingungen zu verarbeiten. Hinzu kommen Materialkombinationen als auch mehrfädige Varianten und Ausführungen.